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Veräußerungsgewinne: Wenn das Finanzamt einen Freibetrag berücksichtigt, den man nicht beantragt hat
Beim Verkauf oder der Aufgabe eines Betriebs besteht die Möglichkeit, einen Freibetrag zu beantragen. Dieser wird allerdings nur ein einziges Mal im Leben gewährt. Zusätzlich muss das 55. Lebensjahr vollendet worden oder dauernde Berufsunfähigkeit eingetreten sein. Sind alle Voraussetzungen erfüllt, ist der Freibetrag von maximal 45.000 EUR zu gewähren. Er wird jedoch bis auf 0 EUR gekürzt, soweit der Veräußerungsgewinn 136.000 EUR übersteigt. Wie ist es aber, wenn das Finanzamt den Freibetrag ohne Antrag gewährt? Gilt er dann schon als verbraucht? Das Finanzgericht Köln (FG) musste darüber entscheiden.
Am 31.12.2019 beendete der Kläger seine freiberufliche Tätigkeit und erzielte einen Aufgabegewinn. Hierfür beantragte er den Freibetrag für Veräußerungsgewinne. Dessen Gewährung lehnte das Finanzamt ab, da der Freibetrag bereits 2011 in Anspruch genommen worden sei. In 2011 hatte der Kläger eine Beteiligung veräußert. Im Berechnungsteil des Bescheids für 2011 wurde der damalige Veräußerungsgewinn mit dem Hinweis "ab steuerfrei bleibende Veräußerungsgewinne" reduziert.
Auf die tatsächliche Berücksichtigung des Freibetrags wurde weder im Erläuterungstext des Bescheids noch in der Anlage hingewiesen. Den Einspruch gegen den Bescheid für 2019 lehnte das Finanzamt ab. Auch wenn der Kläger den Freibetrag damals nicht beantragt habe, habe sich dessen Gewährung steuerlich ausgewirkt. Einen Einspruch dagegen habe der Kläger nicht eingelegt.
Die Klage vor dem FG war erfolgreich. Das Finanzamt hat dem Kläger zu Unrecht den Verbrauch des Freibetrags aus dem Jahr 2011 entgegengehalten, denn der Kläger musste diesen rechtswidrigen Verbrauch nicht erkennen. Der Freibetrag gilt mit seiner Gewährung als verbraucht, und zwar auch dann, wenn die Gewährung ohne Antrag erfolgte. Die Unterlassung rechtswahrender Maßnahmen ist nach Treu und Glauben dann unschädlich, wenn sich eine nur geringe Steueränderung ergeben würde. Die Erkennbarkeit des Verbrauchs des Freibetrags setzt einen Hinweis im Erläuterungstext des Bescheids voraus.
Allerdings war im Streitfall die Berücksichtigung des Freibetrags weder zu erkennen noch durch den Kläger beantragt. Aufgrund der geringen Auswirkung des Freibetrags in 2011 und mangels eines Hinweises im Bescheid war dessen Verwendung nicht sichtbar.
Hinweis: Der Senat musste nicht über die Berücksichtigung des vollen Freibetrags entscheiden, da der Kläger nur den noch nicht in 2011 verbrauchten Freibetrag beantragt hatte.
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